Mannheimer Morgen, 11.12.2012: Melanchthon-Kantorei mit Monteverdis Marienvesper
Leben im Übermaß
Sinnliche Leidenschaften und spirituelle Sehnsüchte zeigen den Menschen in Claudio Monteverdis Marienvesper als Wesen, das der Erde wie dem Himmel nahe ist. Es gibt keine Trennung von Oben und Unten, von Innen und Außen - das Leben schwelgt im Übermaß. Der italienische Komponist der Spätrenaissance lässt sein Werk in allen Farben erblühen, die der Musik in jener Zeit zu Gebote standen: von gregorianischer Homophonie bis zu polyphoner Großarchitektur.
Ein Klanggemälde von verschwenderischen Ausmaßen. An die Aufführenden stellt es höchste Ansprüche. Denn so sehr die Marienvesper alle stilistischen und ästhetischen Grenzen dieser Gattung auslotet, so detailreich und kleingliedrig sind ihre Bestandteile. Beim Konzert mit der Melanchthonkantorei und dem Augsburger Instrumentalensemble La Banda in der Mannheimer Friedenskirche ordnet Christiane Brasse-Nothdurft die zahlreichen Facetten zu einem Gesamtbild von heller Strahlkraft. Das ist ergreifend, aufwühlend, von großer Ernsthaftigkeit und Eindringlichkeit.
Von den mächtigen Glockenschlägen des Eingangsakkords bis in die fugierten Passagen und ornamentalen Verästelungen hinein bewahrt der knapp 80-köpfige Chor in allen Stimmlagen Standfestigkeit und zeigt sich zugleich ungemein beweglich. Auch und gerade bei rhythmischen Brüchen und Wechseln. Die Sängerinnen und Sänger sind ganz nah am Herzen und am inneren Pulsschlag dieser Musik. In La Banda sitzen Streicher, Zinkenisten und Posaunisten, die den Chorgesang mit sanft-herbem Klang grundieren. Chitarronen, Dulzian und Orgel erzeugen ein leuchtend-warmes Klangbild, das den Gesang wie eine Gloriole umgibt.
Die sechs Gesangssolisten sorgen für viele Höhepunkte in dieser Aufführung, sei es im Ensemble oder auf den Seitenemporen verteilt. Sabine Goetz (Sopran) und Bernhard Gärtner (Tenor) mit lyrisch gefärbten Stimmen sowie Amaryllis Dieltiens (Sopran) und Timothy Sharp (Bariton) sind glänzende Vertreter ihres Fachs. Mit besonderer Affinität zum Renaissance-Gesang ausgestattet: Thomas Nauwartat (Altus) und Martin Erhard (Tenor). urs
http://www.morgenweb.de/nachrichten/kultur/kultur-allgemein/leben-im-ubermass-1.834327
Kurzbeschreibung des Werks:
Wie fast kein anderes Werk, bildet die Marienvesper von Monteverdi aus dem Jahre 1610 den Stilwandel zwischen Renaissance und Barock ab. Der Vesperliturgie folgend, enthält sie fünf Psalmvertonungen und das Magnificat. Vom Echo-Konzert bis zu doppelchöriger Musik, von hochvirtuosem Sologesang bis zur Zehnstimmigkeit reicht das Klangspektrum. Ein Spezialisten-Ensemble aus Augsburg auf historischen Instrumenten, sechs Solisten und die Melanchthonkantorei werden das Werk in transparenter Rhythmik und mit farbenprächtiger Klangentfaltung kunstvoll zur Geltung bringen.
Der Heidelberger Musikwissenschaftler Carlos A. Haas, der auch die Einführung am MO 26. Nov. um 18 Uhr im Melanchthonhaus halten wird, schreibt:
Die Aufführung der Marienvesper in der Mannheimer Friedenskirche am 09. Dezember 2012 durch die Melanchthonkantorei unter der Leitung von KMD Christiane Brasse-Nothdurft möchte dem Publikum vor allem die Vielschichtigkeit der Musik deutlich machen: Die Fülle an Emotionen und die große kompositorische Kunstfertigkeit können uns heute ebenso in ihren Bann ziehen wie die Menschen vor über 400 Jahren.“
Am 1. Juli gestaltete die Kantorei gemeinsam mit dem Popchor einen schwungvollen Jazz-Gottesdienst in der Melanchthonkirche.
Fotos und Videos dazu finden Sie auf den Seiten des Popchores ... mehr
Choräle dämpfen Trauer und Verzweiflung
Ihre Kirche ist zu klein. Darum begibt sich die 70-köpfige Mannheimer Melanchthonkantorei zwangsweise auf Wanderschaft, wenn sie ein neues Juwel in ihr anspruchsvolles Repertoire aufgenommen hat. Mit Bachs Johannes-Passion zog sie zur Friedenskirche, deren Akustik jede Zartheit selbst in die hintersten Bänke trägt.
Das Ergebnis dieser lautstark gefeierten Aufführung: Sie gibt eine Antwort auf die Frage, wie der Thomaskantor Epik, Lyrik und Dramatik zu seinem Glaubensbekenntnis vereint. Unter der Leitung von Christiane Brasse-Nothdurft können die Mitwirkenden drei Voraussetzungen dafür erfüllen. Dank mustergültiger Textaussprache, klarer Stimmführung und eines scharfen Blicks für entscheidende Übergänge werden die Nahtstellen sichtbar, an denen extreme Gegensätze zu Bildern von der Auferstehung verschmelzen. Zwei Arien ragen zum Beispiel aus dem Dialog zwischen Pilatus und Jesus heraus. Der Prozess wird unterbrochen. Und eine gläubige Seele schaltet sich ein, die Dornen mit Himmels-Schlüsselchen vergleicht oder den blutgefärbten Rücken des Gegeißelten mit einem Regenbogen. Solche Betrachtungen prägen auch die Choräle, die Trauer und Verzweiflung dämpfen. Tonangebend sind die lindernden kammermusikalischen Kommentare des Orchesters und der wandlungsfähige Chor.
Die Gesangssolisten machen hellhörig dafür, wie der empfindsame Komponist Bach seinen Trost über alle zentralen, dramatisch aufgeheizten Szenen hinweg spendet. Bei dem Evangelisten des Christoph Wittmann sind die Momente besonders spürbar, in denen der gewissenhafte Berichterstatter von der nervösen Dramatik angesteckt wird. Timothy Sharp gestaltet einen menschlichen, sogar sympathischen Pilatus. Den schon weit entrückten Jesus singt Nikola Diskic. Die Sopranistin Heidrun Luchterhandt und der Altus Thomas Nauwartat steigern die Anmut und Schönheit ihrer Partien von Arie zu Arie. ML
2600 Sänger gemeinsam auf der Bühne
Von unserem Mitarbeiter Christopher Töngi
Volle Ränge, bis zu 2600 Chorsänger und geballte Musical-Power: Das Pop-Oratorium "Die Zehn Gebote" verspricht, ein Event der Superlative zu werden. Zusammen mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und weiteren Partnern veranstaltet die Creative Kirche das große Mitmachprojekt für Sänger und Chöre in der SAP Arena.
Pop trifft auf Klassik, Liebesgeschichte auf Action-Story, ein riesiger Chor auf angesagte Musical-Solisten, eine Live-Band auf ein 40-köpfiges Symphonieorchester. Die "Inszenierung für die ganze Familie" umfasst 19 Titel, geschrieben von Musicalautor und Grammy-Gewinner Michael Kunze und komponiert von Dieter Falk, bekannt aus der "Popstars"-Jury. Nach der Welt-Uraufführung 2010 in Dortmund gibt es nun weitere Großaufführungen, eine davon in Mannheim.
Wenn an diesem Sonntag um 19 Uhr die Scheinwerfer in der ausverkauften SAP Arena aufblitzen, steht Regina Blunda von der Melanchthonkantorei mit den anderen Darstellern auf der Bühne. Wie es dazu gekommen ist? "Letzten Sommer hat uns unsere Chorleiterin Christina Brasse-Nothdurft über das Projekt informiert", erzählt die 31-Jährige. Sofort sei sie von der Idee hinter der Veranstaltung "Feuer und Flamme" gewesen: "So eine einmalige Chance wollte ich mir einfach nicht entgehen lassen. Ich war zwar schon öfter in der SAP Arena, aber durch den Künstlereingang zu laufen, ist eben doch etwas Besonderes", freut sich die Diplom-Betriebswirtin.
Bisher trat Blunda vor 400 bis 600 Zuhörern auf, morgen werden es mehrere Tausend sein. Steigt da die Aufregung? "O. k., ein bisschen Lampenfieber habe ich schon", gibt die Sängerin zu, aber das sei völlig normal. "Man macht sich schon Gedanken, ob man seine Einsätze richtig trifft, aber die Vorfreude überwiegt." Die größte Umstellung sei die Distanz zwischen Sängern und Dirigent. "Da sitzt man in der 50. Reihe und muss ganz genau darauf achten, was ganz weit vorne passiert", erklärt Blunda. Allerdings biete die SAP Arena "ideale Bedingungen" für eine Veranstaltung dieser Größe: "Die Akustik ist super, und die Veranstalter kennen sich mit Projekten dieser Größenordnung bestens aus", ist sich die Mitwirkende sicher.
Seit vergangenem September laufen die Proben für die Veranstaltung - hauptsächlich in der Chorstunde. "Dazwischen gab es drei Regionalproben, bei denen auch die anderen Mitwirkenden dabei waren", sagt Blunda und blickt zu ihrem 18 Monate alten Sohn Philipp. Job, Kind und Proben unter einen Hut zu bringen, sei gar nicht so leicht gewesen. "In dieser Zeit hat mich mein Mann Daniel sehr unterstützt, das war klasse. Jetzt freue ich mich vor allem auf das Ensemble, da wir bisher immer nur mit Musik vom Band geprobt haben." Das bisherige Highlight? Blunda überlegt kurz: "Als wir Anfang Februar die Hauptprobe in Eppelheim hatten, ist Dieter Falk angereist, um uns zu erklären, worauf er Wert legt und was ihm bei der Umsetzung wichtig ist. Das war ein besonderer Augenblick."
Was die Besucher neben zahlreichen Special-Effekten und einem Musik-Mix aus Pop, Rock, Gospel und Musical erwartet, will Blunda nicht verraten. Nur so viel: "Die Story ist auf jeden Fall was fürs Herz, kombiniert mit Spannung und Happy-End. Eben alles, was ein gutes Musical braucht."