Mannheimer Morgen, 27.20.2016
von Waltraud Brust
Werk von spiritueller Wucht
Professor Rudolf Meister, Präsident der hiesigen Musikhochschule und 1. Vorsitzender der Internationalen Max-Reger-Gesellschaft, weist in einem Programm-Grußwort auf die Bedeutung des "Giganten der deutschen Spätromantik" und seines 100. Psalms hin. Der war zuletzt vor 30 Jahren, ebenfalls in der Christuskirche, von Hermann Schäffer mit dem Bachchor aufgeführt worden. Nun hatte sich anlässlich des 100. Todestags von Max Reger Kirchenmusikdirektorin Christiane Brasse-Nothdurft mit ihrer Melanchthonkantorei des gewaltigen Werks angenommen und als romantischen Kontrapunkt Felix Mendelssohn Bartholdys Psalmvertonung "Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser" opus 42 gewählt.
Zum Auftakt in der fast voll besetzten Christuskirche erklang Mendelssohns melodienselige Psalmkantate für Sopran, Männerquartett, Chor und Orchester. Stefanie Krahnenfeld brachte die Arie "Meine Seele dürstet nach Gott" (mit obligater Oboe), die beiden Rezitative und das Quintett (mit Hochschul-Quartett) zu starker Wirkung. Christiane Brasse-Nothdurft lenkte mit sicherer Hand ihre bestens vorbereitete Kantorei und die Kammerphilharmonie Mannheim durch die ausdrucksstarken Chorpassagen.
Entfesselter Zauber
Mit der Fantasie über den Choral "Ein feste Burg" opus 27 von Max Reger entfesselte der vielfach preisgekrönte Konzertorganist Lukas Stollhof noch einmal den nur leicht eingeschränkten Zauber der schon im Restaurierungsmodus befindlichen Steinmeyer-Orgel.
Wer zum ersten Mal die überwältigende Originalfassung des 100. Psalms "Jauchzet dem Herrn, alle Welt" opus 106 für Chor, Orgel und Orchester von Max Reger hört, der versteht Regers Postulat an den Uraufführungs-Dirigenten, "die Hörer müssten hernach als Relief an der Wand kleben".
Mit ungeheurer Wucht und einem enormen Pauken-Crescendo bricht das Werk über den Hörer herein. Die Leistung der Melanchthonkantorei, auf vielen strapaziösen Probenstunden basierend, nötigt Respekt, ja Bewunderung ab. Als im Finalsatz, einer riesigen Doppelfuge mit brausendem Orgelklang, auch noch ein Blechbläserquartett von der Orgelempore aus als cantus firmus den Luther-Choral "Ein feste Burg" intonierte, wirkte das Publikum nach der Schlussfermate wie erschlagen. Danach erhob sich ein gewaltiger Applaus.
Mannheimer Morgen, 17.03.2016
von Waltraud Brust
Blick nach Fernost
Längst ist die heimische Kirche zu klein für die überaus beliebten Chorkonzerte der formidablen Melanchthonkantorei. Und längst hat die ideenreiche Kirchenmusikdirektorin Christiane Brasse-Nothdurft, seit 1981 Kantorin an Melanchthon, aus der Not eine Tugend gemacht und genießt Gastrecht in Mannheims großen Kirchen. Das Motto "Kirschblüten & Waldesnacht" schien alle Romantiker anzuziehen; die geräumige Epiphaniaskirche in Feudenheim war voll besetzt. Das deutsch-japanische Solisten- und Chorkonzert dokumentiert die sorgfältige Vorbereitung der rund 70 ambitionierten Sängerinnen und Sänger auf die im Sommer geplante Japan-Reise und dürfte auch im Land der Kirschblüten erfolgreich werden.
Begeistertes Publikum
Die zarte Sopranistin Ayumi Futagawa sang Lieder ihrer Heimat und vier empfindsame Lieder der Romantik und Spätromantik (Grieg, Schumann, Strauss). Zuverlässig und sensibel begleitete Ryoko Aoyagi die Solistin und die meisten Chorsätze. Daneben unterstrichen ein paar A-cappella-Sätze die vorzügliche Stimmschulung der Kantorei. Ein japanischer Chorbassist erläuterte den Inhalt der japanischen Solo- und Chorlieder und des abschließenden, von Jahreszeiten-Videos begleiteten Chormedleys.
Und so zogen die vielen wunderschönen Lieder von Brahms, Schumann, Silcher und Rheinberger am begeisterten Publikum vorüber. Einer der Höhepunkte: das Ständchen "Zögernd, leise" für Solo, Männerchor und Klavier, bei dessen Schlussvers "schleichen wir uns wieder fort" sich nach und nach alle davonschlichen, Solistin, Dirigentin, Sänger, bis am Ende ein einsamer Bassist auf dem Podium freundlich den Zylinder schwenkte.
Für den enthusiastischen Schlussapplaus dankten der Chor und die strahlende Dirigentin mit "Der Mond ist aufgegangen" in einem Satz des Jahresjubilars Max Reger.